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Gleichgewicht der Verbindlichkeit

Die Sicht von OTB-Consulting

Zuallererst sei auf die wichtige Kontroverse hingewiesen, ob die Volksschule generell kostenfrei sein muss. Die Befürchtung besteht, dass dem vorliegenden Gesetzesartikel weitere in ähnlicher Art folgen werden. Zum Beispiel Kinder betreffend, bei welchen im Kindergarten festgestellt wird, dass eine logopädische Intervention unumgänglich ist und dass diese eigentlich längst hätte einsetzen müssen.
Am Ende einer solchen Entwicklung steht eine Volksschule mit kostenfreiem Basis- und kostenpflichtigem Zusatzangebot.
Brisant ist in diesem Zusammenhang die Frage, welches Recht Eltern haben, wenn sie trotz guten Willens keine "zumutbare Möglichkeit" für eine frühe Deutschförderung vorfinden und den Kindern dadurch ein Nachteil für die Schullaufbahn erwächst. Kann von der Wohngemeinde verlangt werden, dass Angebote zur Verfügung stehen müssen?

Neben dieser staatspolitisch wichtigen Frage, wirft OTB Consulting einen Blick auf die wahrscheinliche Wirkung der neuen Bestimmung auf den Aufbau von Deutschkenntnissen vor dem Kindergarten selbst. Als Vergleich dient der Kanton Basel-Stadt, welcher ebenfalls mit der Festschreibung von Massnahmen in Schulgesetzt operiert.

Kinder, welche ohne Deutschkenntnisse in den Kindergarten und damit in die Volksschule eintreten, haben ohne Zweifel einen Nachteil. Soweit ist man sich einig. Man ist sich auch einig, dass eine Intervention möglichst früh beginnen soll. Im Kanton Basel-Stadt hat das zu einem selektiven Obligatorium geführt. Kinder, welche keine Möglichkeit haben, Zuhause Deutsch zu lernen, werden im Jahr vor dem Kindergarten zu einer Förderung in Deutsch verpflichtet.

Mit der Formulierung von Gesetzesartikeln erhöhen beide Kantone die Verbindlichkeit insbesondere gegenüber jenen Familien, in welchen Anderssprachigkeit und sozial erhöhtes Risiko zusammentreffen. Diese Familien sind mit den im Sozialbereich üblichen Massnahmen und Strukturen oft nicht erreichbar.

Der Unterschied besteht darin, dass hier die Pflicht der Eltern und dort das Recht der Kinder auf Bildung im Zentrum steht. Das führt konsequenterweise zu anderen Lösungsansätzen, nicht zuletzt in Bezug auf die Finanzierung der Massnahmen. Der Kanton Basel-Stadt übernimmt im Falle einer Verpflichtung die Kosten für den Spielgruppenbesuch.   

Generell zeigt die Erfahrung deutlich, dass Eltern durchaus möchten, dass ihre Kinder mit genügend Deutschkenntnissen in den Kindergarten eintreten. Wichtig hierbei sind vorab drei Dinge:

  1. Gibt es vor Ort taugliche Angebote?

  2. Sind die Eltern über die Angebote informiert?

  3. Sind die Angebote für die Eltern finanzierbar?

Soll also der neue Artikel im Kanton Thurgau die gewünschte Wirkung auf die Deutschkenntnisse der Kinder erzielen, müssen sich die Schulgemeinden genau diese Fragen stellen und allfällig entsprechende Strategien entwickeln.

Letztlich geht es darum, ein Gleichgewicht der Verbindlichkeit zu verfolgen. Es kann nicht Aufgabe der Eltern alleine sein, sich um die Deutschförderung der Kinder zu kümmern. Regelungen, welche Eltern betreffen, sind, gerade im Frühbereich, auch als Auftrag an die Gemeinden (und an den Kanton) zu lesen. Es ist denn auch zu erwarten, dass die Schulgemeinden des Kantons Thurgau ihr Angebot analysieren und bei Bedarf ausbauen werden. Wenn sich diese Dynamik einstellt und der Kanton die Gemeinden entsprechend unterstützt, dann wird eine Wirkung in Bezug auf die Deutschkenntnisse der Kinder nicht ausbleiben.

Ihre Sicht

Wir sind gespannt und interessiert, wie Sie sich zu dieser Frage stellen. Kommentare und Reaktionen sind willkommen auf: box@otb-consulting.ch

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